An guten Ideen fehlt es wirklich nicht

Spread the love

Parlament debattiert zum Teil sehr harmonisch über den Kulturentwicklungsplan
 MARC THILL Luxemburger Wort 29. April 2021

An Zitaten haperte es wirklich nicht – auch nicht an einigen guten Ideen. Richard von Weizsäcker, Albert Schweitzer, Bertolt Brecht und August Everding wurden zitiert, auch der verstorbene Kulturminister Robert Krieps war dabei, und sogar einige Verse der am Vortag mit dem Servais-Preis ausgezeichneten Lyrikerin Ulrike Bail erklangen im Plenarsaal. Ja, im Parlament ging es gestern ganz kulturell zu. Die Musen waren da, und wie Kulturministerin Sam Tanson (Déi Gréng) hervorhob, verlief die Debatte sogar in bemerkenswerter Eintracht und Harmonie. Kultur vereint!

 

Auf der Tagesordnung stand eine Orientierungsdebatte über den Kulturentwicklungsplan, kurz KEP, der nun in Musik umgesetzt wird und dabei der Kultur insgesamt zu einem neuen Stellenwert in der Luxemburger Gesellschaft verhelfen wird. Die CSV hatte nach dieser Debatte gefragt, da sie der Meinung sei, so die frühere Kulturministerin Octavie Modert, dass der Kulturentwicklungsplan eine parlamentarische Begleitung brauche, was auch von allen anderen Parteien begrüßt wurde. Schließlich seien es am Ende die Gewählten der Abgeordnetenkammer, die das Kulturbudget akzeptieren und damit auch dem größten Teil der Kultursubsidien aus der öffentlichen Hand zustimmen würden. Eine Motion der CSV, um vor allem den Kultursektor noch weiter zu professionalisieren, wurde im Anschluss an die Debatte vom Parlament angenommen.

Meilenstein der Luxemburger Kulturpolitik

Die Präsidentin der Kulturkommission Djuna Bernard (Déi Gréng) trug zu Beginn der Debatte ihren Bericht über diesen Meilenstein der Luxemburger Kulturpolitik vor, in dem sie vor allem die Entstehungsgeschichte des neuen kulturpolitischen Instrumente erläuterte. Etwas weiter zurück in die Geschichte ging derweil ihre Parteikollegin Josée Lorsché, die aus einem Strategiepapier des früheren Kulturministers Robert Krieps (LSAP) zitierte und auch auf ein Weißbuch der ebenfalls früheren Kulturministerin Erna Hennicot- Schoepges (CSV) verwies. 39 Jahre nach Robert Krieps ist es jedenfalls nun an der Ministerin Sam Tanson, den ersten Kulturentwicklungsplan in Luxemburg umzusetzen.

Dieser Plan sei zunächst einmal eine wichtige Bestandsaufnahme, er lege Pisten fest und habe einen partizipativen Charakter, und genau dies sei seine größte Stärke, betonte Octavie Modert.

Dadurch dass die Covid-Pandemie in den Entstehungsprozess des KEP hinein gebrochen ist, wurde in den meisten Stellungnahmen natürlich auch auf die Prekarität verwiesen, mit der Künstler in Luxemburg umgehen müssten. Modert meinte, für sie und ihre Partei sei es elementar wichtig, dass die Resilienz des Sektors gestärkt werde, damit die Kultur nicht nur durch diese Krise komme, sondern auch dauerhaft anderen erdenklichen Gefahren gewachsen sei. Der Schlüssel dazu sei eine weitere Stärkung des Sektors, und dazu zähle auch das Finanzielle. Leider gebe es aber eine große Diskrepanz zwischen den einzelnen Berufssektoren: ein Künstler habe zwar einen weiten Bildungsweg, aber im Vergleich zu anderen Jobs ein äußert geringes und variables Einkommen. Josée Lorsché sprach vom „Theater als brotlose Kunst“, Sven Clement (d’Piraten) verwies in diesem Zusammenhang auf die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, von dem Künstler und Kultur profitieren könnten.

Marc Baum (Déi Lénk), der einzige Künstler unter den Abgeordneten, brachte – und das vielleicht sogar im Namen vieler Künstlerkollegen – seinen Dank an die Ministerin zum Ausdruck, dass während der Pandemie der Kulturbetrieb in Luxemburg der erste europaweit war, der wieder geöffnet wurde. Das Ministerium sei sehr reaktiv gewesen. Tatsächlich: das erste Covid-Gesetz, das im Parlament gestimmt wurde, war das Gesetz zum Schutz der Kulturschaffenden während der Pandemie. Baum forderte in dem Zusammenhang die baldige Schaffung des im Kulturentwicklungsplans vorgesehenen „Observatoire des politiques culturelles“, um damit wichtige Erhebungen vornehmen zu können. Etwa: Wie hat das Publikum auf die Pandemie reagiert? Wurde vielleicht mehr gelesen? Was fehlte? …

Kultur in Schulen, Altersheimen und in den Gemeinden

An Ideen fehlte es den Abgeordneten jedenfalls – wie eingangs bereits erwähnt – nicht. Octavie Modert verlangte nach Räumlichkeiten für Künstler, zum Beispiel die Schaffung eines Künstlerviertels, von dem auch andere Bereiche der Gesellschaft profitieren könnten. Dies würde der Kunst und ihren Berufen auch mehr Sichtbarkeit geben. Sie forderte zudem, dass Luxemburger Musik stärker in den Radios präsent sei, dass man Anreize schaffen müsse, damit sich Booker, Labels und Musikagenten in Luxemburg niederlassen könnten, und wünschte sich, dass die Kultur mehr in die Schulen hineingetragen werde als dies bisher der Fall sei.

Auf diesen Punkt ging auch die Abgeordnete Simone Asselborn-Bintz (LSAP) ein. Kunsterziehung in der Schule sei wichtig. Museumsbesuche müssten ein fester Bestandteil eines Bildungskonzeptes sein. Sie nannte in dem Zusammenhang auch eine Initiatve aus dem Ausland – ein Kinderkunstmuseum.

Kultur gehöre aber auch in die Altersheime, ergänzte Octavie Modert, sowie in die Regionen und in die Gemeinden, die auch einer kulturellen Verpflichtung nachkommen müssten. Wenn Klima- und Wohnungsberater den Gemeinden zur Verfügung gestellt würden, warum dann nicht auch Kulturberater? Für Josée Lorsché sind derweil auf Gemeindeebene die Randgruppen der Gesellschaft, die weniger von Kultur Gebrauch machten, besser erreichbar.

Kultur ist natürlich ein sehr breites Feld und ein Begriff, der für vieles herhalten muss. Für einige ist Kultur mehr das Vergangene, für andere bedeutet sie dafür eine Auseinandersetzung mit den Problemen von heute. André Bauler (DP) verwies in diesem Kontext auf die Wichtigkeit des Kulturerbes, immateriell wie materiell, ihm schwebt sogar – und warum nicht in seiner Region, dem Norden? – die Schaffung eines Museums für sakrale Kunst vor.

Auch auf die Wichtigkeit der Schriftstellerei, der Bibliotheken, des Künstlerstatuts (der immer noch überarbeitet werden muss), der Künstlerresidenzen und der Kulturvermarktung Kultur:Lx wurde mehrmals verwiesen.

Die Ministerin Sam Tanson hat in ihrem Schlusswort nochmals unterstrichen, dass Kultur auch einen wirtschaftlichen Wert habe und ein Wirtschaftsfaktor sei. Sie kündigte an, dass eventuell demnächst die zugelassenen Zuschauerzahlen bei Events im Freien erhöht werden könnten, wenn die Zahl der Neuinfizierungen wie bisher weiter zurückgehen sollte.

 
 

Spread the love